Steuerliche Neuerungen durch das Wachstumschancengesetz

Von Kevin Zimmermann 09. April 2024 5 min. Lesezeit
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Das Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (kurz: Wachstumschancengesetz) wurde nun kürzlich nach längerer Verzögerung im Gesetzgebungsprozess durch diverse Diskussionen und Änderungen am 27.3.2024 im Bundesgesetzblatt verkündet.

Am 22.3.2024 tagte der Bundesrat nach dem Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Wachstumschancengesetz erneut und stimmte dem Gesetzvorhaben nun zu. Damit liegt die finale Fassung des Wachstumschancengesetzes mit seinen steuerlichen Neuerungen auf die Steuergesetze endlich vor.

Welche Änderungen wurden beschlossen?

Aufgrund der regelmäßig zeitlich unmittelbar in Kraft tretenden Rechtsänderungen möchten wir Ihnen im Folgenden eine Auswahl wichtiger steuerlicher Neuerungen des Wachstumschancengesetzes vorstellen, damit Sie diese bereits jetzt berücksichtigen können.

Darüber hinaus wurden weitere vielfältige steuerliche Neuerungen durch das Wachstumschancengesetz eingeführt.

Einkommensteuer

  1. Geschenke, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG

Die bislang jährlich geltende Grenze von 35 € pro Empfänger für Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, wird nunmehr für Wirtschaftsjahre ab 01.01.2024 auf 50 € pro Empfänger angehoben.

  1. E-Fahrzeug-Privatnutzung, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3, 5 EStG

Der Erwerb von reinen Elektro-Fahrzeugen wird aus steuerlicher Sicht für Unternehmer und Unternehmen, welche Elektro-Fahrzeuge an Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses überlassen, interessanter gemacht. Die bislang geltende Voraussetzung für eine steuerlich begünstigte Besteuerung der Privatnutzung entsprechender Fahrzeuge, der Bruttolistenpreis (BLP) darf nicht mehr als 60.000 € pro Fahrzeug betragen, wird nun mehr für ab 01.01.2024 angeschaffte Elektro-Fahrzeuge auf 70.000 € maximaler Bruttolistenpreis angehoben.

  1. Degressive Abschreibung, § 7 Abs. 2 Satz 1 EStG

Die bislang bereits durch das zweite Corona-Steuerhilfegesetz wiedereingeführte und durch das vierte Corona-Steuerhilfegesetz bis 31.12.2022 verlängerte degressive Abschreibungsmethode zur dynamischen Abschreibung von Wirtschaftsgütern wird nochmals in das Einkommensteuergesetz implementiert. Durch die degressive Abschreibungsmethode lässt sich der Wertverzehr in vielen Fällen realitätsnaher abbilden als bei Wahl der linearen Abschreibungsmethode und in den ersten Jahren nach Anschaffung der entsprechende erhöhte Wertverzehr auch in der steuerlichen Gewinnermittlung abbilden. In Anspruch genommen werden kann die degressive Abschreibung für Wirtschaftsgüter, welche nach dem 31.03.2024 und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt worden sind. Der maximal anwendbare Abschreibungs-Satz beträgt das Zweifache des alternativ bei linearer Abschreibung geltenden Abschreibung-Satzes. Zudem sind Abschreibungs-Sätze über 20 % bei der degressiven AfA nicht zulässig.

  1. Degressive Abschreibung für Wohngebäude, § 7 Abs. 5a EStG

Des Weiteren werden auch neue Wohngebäude steuerlich künftig umfassender begünstigt. Auch für entsprechend genutzte Gebäude wird die degressive Abschreibung eingeführt. Sie beträgt jährlich 5 % und gilt für Gebäude, welche vom Steuerpflichtigen hergestellt oder bis zum Ende der Fertigstellung angeschafft worden sind und Wohnzwecken dienen. Die Herstellung muss nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 begonnen worden sein, bei Anschaffungsfällen muss der obligatorische Vertrag nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 rechtswirksam abgeschlossen worden sein. Es besteht das Wahlrecht wieder zur linearen Abschreibungsmethode zu wechseln.

Wir weisen Sie in diesem Zusammenhang gerne daraufhin, dass ebenfalls die Sonderabschreibung für entsprechend genutzte neue Mietwohnungen nach § 7b EStG Begünstigungen in den Voraussetzungen für dessen Inanspruchnahme erfahren hat.

  1. Verlustvortrag, § 10d Abs. 2 EStG

Entsprechend derzeitiger Rechtslage ist bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. € bzw. 2 Mio. € für Ehegatten ein Vortrag des entstandenen Verlustes für jedes Verlustvortragsjahr unbeschränkt möglich. Für den Teil, der den Sockelbetrag überschreitet, ist der Verlustvortrag auf 60 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt.

Die Steuerjahre 2024 bis 2027 werden nun mehr in der Form begünstigt, dass der Verlustvortrag auf 70 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt wird, mithin also um 10 % angehoben wird. Entsprechendes gilt auch für körperschaftsteuerliche Verlustvorträge.

Gewerbesteuer

  1. Erweiterte Kürzung, § 9 Nr. 1 Satz 3 b) GewStG

Neben der bereits vorgestellten außerfiskalisch motivierten Förderung von Elektrofahrzeugen durch Begünstigungen der Privatnutzung, hat der Gesetzgeber im Rahmen der Fassung seiner steuerlichen Neuerungen auch im Gewerbesteuergesetz dem Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit besonderen Wert beigemessen.

Bislang galt für die Anwendbarkeit der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 3 b) GewStG, dass ein entsprechendes Grundstücksunternehmen zulässigerweise Einnahmen aus dem Betrieb von Solaranlagen und Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Elektrofahrräder von bis zu 10 % seiner Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes erzielen konnte und die erweitere Grundstückskürzung trotzdem steuerlich möglich war. Diese Unschädlichkeitsgrenze der Einnahmen aus dem Betrieb entsprechender nachhaltiger Anlagen wird nunmehr bereits rückwirkend für das Steuerjahr 2023 durch das Wachstumschancengesetz für entsprechende Grundstücksunternehmen auf 20 % angehoben.

Umsatzsteuer

  1. Einführung der elektronischen Rechnung

Die lange und kontrovers diskutierte Einführung der sogenannten elektronischen Rechnung für Zwecke der Umsatzsteuer ab 2025 wurde nun mehr beschlossen. Die elektronische Rechnung dient künftig der Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich durch Unternehmer an ein bundeseinheitliches elektronisches System der Verwaltung (Meldesystem). Daneben entfaltet sie für alle Unternehmer, welche Leistungen für andere Unternehmer erbringen oder beziehen (B2B-Geschäft), immense Bedeutung: Künftig wird ein Vorsteuerabzug in vielen Fällen ohne Vorliegen einer elektronischen Rechnung nicht mehr möglich sein.

Nur noch eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird, welches ihre elektronische Verarbeitung ermöglicht, und die den Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU entspricht, wird als elektronische Rechnung gelten. Rechnungen, die in einem anderen elektronischen Format oder auf Papier übermittelt werden, werden unter dem neuen Begriff "sonstige Rechnung" zusammengefasst.

Beratungshinweis: Aufgrund der hohen Tragweite der beschlossenen Einführung der elektronischen Rechnung u.a. durch drohenden Verlust des Vorsteuerabzugs und der umfassenden steuerlichen Konsequenzen, welche rund um das Thema elektronische Rechnung entstehen, bieten wir Ihnen an uns jederzeit gerne hierzu zu kontaktieren. Gerne beraten wir Sie hierzu.

Verfahrensrecht

  1. Buchführungspflicht, § 141 AO

Gewerblich tätige Steuerpflichtige sowie Land- und Forstwirte mussten bislang Bücher führen und jährlich Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen erstellen, sofern sie einen Gesamtumsatz von 600.000 € oder aber einen Gewinn von 60.000 € im Kalenderjahr erzielten.

Diese beiden Grenzen werden nunmehr durch das Wachstumschancengesetz für Wirtschaftsjahre ab 01.01.2024 auf 800.000 € Umsatzgrenze und 80.000 € Gewinngrenze angehoben. Hierdurch treten in vielen Fällen Verwaltungserleichterungen durch das Absehen von einer Bilanzierungspflicht auf und eine größere Anzahl Steuerpflichtiger können ihren Gewinn auf Basis von Einnahmen-Überschuss-Rechnungen künftig zulässigerweise ermitteln.

Gleichlaufend mit der Anpassung des für steuerliche Zwecke relevanten § 141 AO werden ebenfalls die derzeit geltenden Schwellenwerte zur Buchführungspflicht nach § 241a HGB für handelsrechtliche Zwecke auf 800.000 € Umsatzgrenze und 80.000 € Gewinngrenze angehoben.

Die dargestellten Änderungen stellen einige der wichtigen steuerlichen Neuerungen durch das Wachstumschancengesetz dar. Darüber hinaus wurden noch vielfältige weitere wichtige Neufassungen im Rahmen des Wachstumschancengesetzes aber auch in weitere Gesetzen vorgenommen.

Sollten Sie Fragen zu den weiteren umfassenden Änderungen und Gesetzen haben, zögern Sie nicht uns jederzeit zu kontaktieren. Wir verschaffen Ihnen gerne einen detaillierten Überblick über das Wachstumschancengesetz und selbstverständlich auch über weitere Rechtsänderungen.